Mittwoch, 20. März 2019

Wieder kein Feindkontakt

Die Startvorbereitungen verlaufen heute etwas hektisch. Der Grund ist, dass es auf der Anfahrt zum Start massiven Stau gibt und wir viel zu spät vor Ort sind. Gerade noch rechtzeitig schaffen wir es zum Call-up. Warmgefahren sind wir nicht, aber es stellt sich heraus, dass dies auch keine Rolle spielt, da die ersten 15 Minuten neutralisiert sind. Weiterhin zeigt sich, dass mein Handgelenk hinreichend gut funktioniert. Darüber hinaus zeigt sich aber auch, dass ich bei meiner Vorderradbremse stets erstmal ins Leere greife und Pumpen muss, bis eine Bremswirkung einsetzt. Lauras Schaltwerk macht außerdem sehr merkwürdige Dinge. Beides war gestern Abend noch nicht der Fall. Im Nachgang der Etappe wird sich herausstellen, dass meine Bremsscheibe massiv verbogen und die B-Screw an Lauras Schaltwerk massiv verstellt ist. Ich will ja niemandem etwas unterstellen. Aber merkwürdig ist das schon, wenn Du abends funktionstüchtige Fahrräder im Bikepark abgibst und sie dann in diesem Zustand wieder heraus holst.
Die Etappe selbst hat es mit 107 Kilometern und 2800 Höhenmetern in sich. Da sich unser Vorsprung im Gesamtklassement vor der Etappe auf über eine halbe Stunde beläuft und uns ja noch einiges bevorsteht, sieht der Plan für heute Kräfte sparen vor. Trotz sehr verhaltenem Start will sich am 800-Höhenmeter-Anstieg zum Groenlandberg kein weiteres Mixed-Team zu uns gesellen. Auch im weiteren Etappenverlauf wird es keinen „Feindkontakt“ geben und so machen wir halt wieder unser Ding. Der auf den Groenlandberg folgende Downhill ist ganz offensichtlich hochgradig materialmordend, sodass wir uns hier sehr zurückhalten. Das gleiche gilt für den Downhill an den anschließenden Berg. In Letzterem stellen wir weiterhin auch fest, dass Alessandro Petacchi und Francesco Chicci dringenden Fahrtechnik-Nachholbedarf aufweisen. Das Wetter ist äußerst bescheiden und ich klappere ziemlich, während Laura sich bekanntermaßen bei diesen Bedingungen pudelwohl fühlt. Das Mittelstück der Etappe sieht ein wenig Kilometermachen vor, bevor es im letzten Drittel richtig spaßig wird. Kondition ist dort nur noch gelegentlich welche gefragt. Vielmehr geht es nur noch darum, den Körperschwerpunkt in angemessener Weise wahlweise nach links, rechts oder hinten zu verlagern (nach vorne kommt nicht so gut …). Ich kann im Ziel kaum glauben, dass wir über fünfeinhalb Stunden unterwegs waren, so kurzweilig war die Etappe. Wissen  konnten wir die Fahrzeit ja nicht, weil ich Lauras G(Armin) im Morgenchaos vergessen hatte und meiner sich nach zwei Stunden Fahrzeit im Schmuddelwetter in die ewigen Jagdgründe verabschiedet hatte. Der Plan kontrolliert zu fahren ist auf jeden Fall voll aufgegangen. Für mich war es dabei geradezu entspannt, weil die Möglichkeiten unsere Ochsenkarrentechnik anzuwenden heute sehr begrenzt waren. Wir haben im Ziel sogar richtigen Appetit, was nach so einer Etappe sehr ungewöhnlich ist – normalerweise muss man sich das Essen eher rein zwingen. Doch zuvor werden wir nach der Zieldurchfahrt erstmal noch zum Live-Interview abgebogen (es wird nicht das letzte Interview an diesem Tag sein). Wie sind dort natürlich geringfügig hilflos (zu sehen hier ab 3:47:52 h; meine Englisch-Lehrerin sagte dazu immer: „Sebastian, I love your Saxon English accent“). . Aber was solls … lausige Amateure halt.
Beim Abendzeremoniell (zu sehen hier) verursachen wir bei „Athlete Services Coordinator“ Nathalie vermutlich einen halben Nervenzusammenbruch, weil wir uns gemeinsam mit Annika und Anna im entscheidenden Moment vor dem schonmal erwähnten Gänsemarsch vor Lachen biegen. Beim gestrigen Abendzeremoniell hatte uns Anna noch gesagt, dass sie es toll findet, wie Laura mich bergauf schiebt und dass sie das bei ihrem Mann genauso machen müsste, wenn sie einmal gemeinsam Mixed fahren würden. Tatsächlich sieht unsere Ochsenkarrentechnik grob betrachtet so aus, als würde Laura mich schieben und sie wird an der Strecke in aller Regel mit „Yes, push him!“ angefeuert. Wir spielen das Ironie-Spielchen (jedenfalls haben wir es bisher immer für ein solches gehalten) selbstverständlich immer fein mit. So kam es, dass Anna Annika offensichtlich sehr glaubhaft den Bären aufgebunden hat, dass Laura mich schiebt. So biegen wir uns eben am Abend vor Lachen über die Story und Annika darf nun auch wieder etwas optimistischer im Hinblick auf die nächste Marathon-WM sein ...

Photo by Sam Clark/Cape Epic

Photo by Sam Clark/Cape Epic (der Fotograf ist wie ein aufgeschreckter Hirsch durchs Unterholz gejagt, um dieses Foto zu machen)




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